Topps ersetzt Panini: Das kurioseste Sammelalbum der Fußballgeschichte (2024)

Die Sammelalben des italienischen Kult-Herstellers Panini gehören für viele Fußballfans wie selbstverständlich zu jeder Welt- und Europameisterschaft. Über Generationen hinweg wurden die Klebebilder gesammelt und getauscht. Doch zur Heim-EM in Deutschland gibt es kein Panini-Album, zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren müssen die Fans darauf verzichten. Stattdessen ist ein Sammelalbum des amerikanischen Herstellers Topps im Handel. Doch das löst unter Sammlern gemischte Gefühle aus: Das Heft steckt voller Überraschungen, die ein fachkundiger Fußballfan nur schwer akzeptieren kann. Zudem fehlen viele Fußballstars. Diese Probleme sind nicht nur der frühen Produktion des Albums geschuldet.

Was bietet das neue Sammelalbum?

Rein äußerlich macht das Topps-Heft einen guten Eindruck. Auf 88 farbenfrohen Seiten können 728 Bilder eingeklebt werden – das ist mehr, als Panini zur letzten WM in Katar anbot, in der Summe aber auch teurer. Manche Sondersticker sind in Silber oder Gold hervorgehoben. Über Deutschland und die anderen großen Nationen gibt es je eine Doppelseite. Der jeweils erste Sticker in allen Packungen glitzert.

Was kostet der Sammelspaß?

Ein Päckchen mit sechs Stickern kostet im Supermarkt oder im Zeitschriftenhandel einen Euro. Es gibt auch größere Packungen mit Vergünstigungen, bei einer Bestellung im Internet lässt sich ebenfalls Geld sparen. Das Album inklusive 16 Stickern kostet drei Euro. Für die Hersteller und den Handel ist es ein großes Geschäft: Beim letzten großen Turnier in Deutschland, der Sommermärchen-Weltmeisterschaft 2006, wurden allein hierzulande rund 800 Millionen Klebebilder verkauft, damals noch von Panini. Auf Tauschbörsen oder im Netz werden seltene oder fehlende Bilder oft zu hohen Preisen gehandelt. Vielen Sammlern ist es wichtig, ihr Album spätestens nach einem großen Turnier komplett zu haben.

Warum hat Topps nun Panini verdrängt?

Seit 1980 gab es eine exklusive Partnerschaft von Panini mit dem europäischen Fußballverband Uefa. Doch die wurde nach 42 Jahren gestoppt: Das konkurrierende US-Unternehmen Topps sicherte sich das Recht, die Aufkleber und andere Sammelsouvenirs für die Europameisterschaften 2024 und 2028 herstellen und vertreiben zu dürfen. Topps ist bereits seit Jahren Partner der Bundesliga und der Champions League und drängt auch mit Sammelkarten massiv auf den europäischen Markt.

Warum fehlen viele Spieler?

Ein großer Kritikpunkt ist, dass wichtige Stars überhaupt nicht im Heft auftauchen. Bei Deutschland sind das zum Beispiel Manuel Neuer, Toni Kroos, Antonio Rüdiger oder Florian Wirtz, aber auch Weltstars anderer Nationen wie Frankreichs Kylian Mbappé. Ihr Fehlen liegt vor allem daran, dass die Bildrechte vieler Stars noch bei Panini oder bei den Verbänden liegen. In einer offiziellen Stellungnahme von Topps heißt es: „Das Fehlen ist darauf zurückzuführen, dass der frühere Sticker-Partner des Turniers bestimmte Teile der Kollektion zum Nachteil der Fans blockiert hat.“ Topps bemühte sich bei manchen Spielern um eine Lösung, bekam das aber oft nicht geregelt. Teilweise fehlen die Spieler aber auch, weil Topps auf andere gesetzt hat: Der Redaktionsschluss des Albums war im Oktober 2023, als vor allem bei Deutschland noch kein fester Kader absehbar war. Große fachliche Beratung hatte Topps offenbar nicht: Dass Mario Götze, Matthias Ginter oder Timo Werner eingeklebt werden können, ist nämlich verwunderlich.

Was ging komplett schief?

Dass Deutschland gar keinen Torhüter im Topps-Album hat, erhitzt die Gemüter der Sammler. Denn neben Neuer fehlt auch Ersatztorhüter Marc-André Ter Stegen. Das führt zu dem Kuriosum, dass Oliver Kahn der einzige deutsche Torhüter im Heft ist. Er wird als Legende aufgeführt (neben Lothar Matthäus und Bastian Schweinsteiger). Mit Kahns EM-Spielen kann das aber nichts zu tun haben: Er war nie Europameister, ganz im Gegenteil – Kahn gewann kein einziges seiner EM-Spiele und schied zweimal in der Vorrunde aus. Übrigens: Vom deutschen Meister Bayer Leverkusen kommt inzwischen zwar ein Drittel der Stammelf von Bundestrainer Julian Nagelsmann, im EM-Album findet man aber keinen einzigen Leverkusener DFB-Star.

Warum sind manche Köpfe so groß?

Auch das fällt sofort auf: Die Spieler von Deutschland, England, Frankreich und Italien sind im Gegensatz zu allen anderen nicht in ihren Nationaltrikots zu sehen, zudem wurden ihre Köpfe deutlich herangezoomt. Der Grund: Auch hier fehlten Topps die Verwendungsrechte der Verbände. Statt der offiziellen Logos, zum Beispiel des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), gibt es bei diesen großen Nationen deshalb auch nur die Landesflaggen einzukleben.

Warum ist Luxemburg im Heft?

Das fragen sich die Luxemburger auch. Natürlich nimmt das kleine Land auch diesmal nicht teil. Das Problem: Das Sammelalbum wurde zu einem so frühen Zeitpunkt produziert, als die letzten EM-Teilnehmer aus den Play-off-Runden noch gar nicht feststanden. Deshalb wurden einfach alle denkbaren Länder ins Album aufgenommen. Das führt zu dem Kuriosum, dass man 33 Mannschaften einkleben kann, obwohl nur 24 an der EM teilnehmen. Für diese Länder wurde statt der üblichen Doppelseiten jeweils nur eine Seite eingeplant – ihre Klebebilder sind entsprechend klein. So macht aber der Spielplan im Album keinen Spaß: So heißt es zum Beispiel, dass zum Auftakt der Gruppe D die Niederlande gegen Polen, Wales, Estland oder Finnland spielen. Die richtige Lösung lautet Polen, die anderen Länder haben sich nicht qualifiziert. Wegen des frühen Drucks wurden auch keine Vereinswechsel im Winter berücksichtigt. So wird zum Beispiel Italiens Leonardo Bonucci immer noch als Spieler von Union Berlin geführt, obwohl er im Januar zu Fenerbahce in die Türkei wechselte.

Worüber können sich Bremer freuen?

Nicht über viel, aber immerhin über Julian Brandt: Der Borgfelder Junge von Borussia Dortmund ist überraschenderweise sogar als Ballkünstler des deutschen Teams besonders hervorgehoben, obwohl seine EM-Teilnahme stets wackelte. Die österreichischen und belgischen Werder-Spieler fehlen komplett, dafür ist der Serbe Milos Veljkovic aus der Bremer Abwehrkette im Heft. Der langjährige Werder-Torhüter Jiri Pavlenka ist auf der Tschechien-Doppelseite dabei.

Was kann man nicht erklären?

Ein Sticker sorgt europaweit für Diskussionen: Bei Titelkandidat England taucht ein Spieler auf, der noch nie ein Länderspiel bestritt und der nur in der zweiten Liga kickt. Sein Name: Luke Thomas, Linksverteidiger beim FC Middlesbrough. Wie das passieren konnte, hat Topps bisher nicht sagen können.

Gibt es nur Fußballbilder?

Nein. Wie zuletzt schon Panini hat sich auch Topps für einige Motive jenseits der Mannschaften entschieden. Neben den zehn Stadien der Spielorte in Deutschland (alle gemalt, nicht fotografiert) kann man auch Sehenswürdigkeiten der Teilnehmerländer einkleben. Für Deutschland zum Beispiel das Schloss Neuschwanstein oder das Brandenburger Tor, für die Schweiz das Matterhorn.

Welche Alternative gibt es?

Für Fans der deutschen Mannschaft ist das Sammelalbum interessant, das Ferrero in Zusammenarbeit mit dem Fußball-Magazin „Kicker“ erstellt hat. Vorteil: Die Auswahl der Spieler ist näher am tatsächlichen Kader, es gibt mehrere Torhüter und im Sturm eine Seite über Werders Marvin Ducksch. Nachteil: Um an die Klebebilder zu kommen, muss man Süßigkeiten wie Hanuta oder Duplo kaufen, und es gibt nur Bilder rund um die deutsche Mannschaft, nicht von den anderen Nationen.

Wie sieht es bei den nächsten Turnieren aus?

Bei der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko gibt es wieder das gewohnte Panini-Album. Denn der Weltverband Fifa setzt weiter auf seinen langjährigen italienischen Partner, der seit 1970 Klebebilder von allen Weltmeisterschaften anbietet. Das gilt auch für die WM 2030 sowie die Frauen-WM 2027. Bei der EM 2028 hat Topps die Chance, aus den Fehlern zu lernen und zum Beispiel mehr Bildrechte zu erwerben.

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